Ein Jahr später: Die Treppe geht immer noch nicht
Verfasst: Fr Okt 26, 2018 4:13 pm
Guten Tag an alle Tibiakopf-Operierten,
ich hoffe, mit euren Knien geht es stetig aufwärts und ihr lasst euch nicht unterkriegen. Ich hoffe so sehr, bei euch Leidensgenossen Tipps für mein Bein zu bekommen. Zunächst möchte ich mich kurz vorstellen: Ich bin 56 Jahre alt und habe mir vor einem Jahr eine Tibiakopf-Luxationsfraktur Typ Moor V plus mehrfragmentärer Unterschenkelfraktur bei einem Reitunfall zugezogen. Die hinteren Kreuzbänder natürlich auch im Eimer. Nach 23 Jahren verletzungsfreier Reiterei war das die volle Ladung. Ich kam zunächst in ein Allgemein Krankenhaus, wo die Ärzte meine Prognosen in den schwärzesten Farben ausmalten. Nie wieder ohne Schmerzmittel, kein normales Leben mehr, niemand kann dieses Bein wieder herstellen usw. usf. Ich ließ mich daraufhin in die BGU Klinik Frankfurt überweisen, die die Sache etwas optimistischer angingen, aber auch dort beeindruckt von der Schwere des Befundes waren: "Ihr Schienbeinkopf ist wie ein Keks, auf den man drauf getreten hat."
Die OP verlief erfolgreich, man konnte sogar den Knorpel retten. Ich wurde mit einer medialen Schrauben- und Plattenosteosythese (Syntes LCP und lateraler 09-Loch NCP Osteosynteseplatte) versorgt, die aussieht wie ein Märklin-Baukasten. Nach einem Jahr langwieriger Reha - ich saß über drei Monate im Rollstuhl, weil ich wegen einer ausgekugelten Schulter und eines Golferellenbogens kaum an Krücken gehen konnte und durfte erst nach rund fünf Monaten voll belasten - habe ich eine Streckung und Beugung von 0-0-125 Grad erreicht und bin, was die Beweglichkeit angeht, sehr zufrieden. Ich fahre regelmäßig Rad, 20 bis 30 Kilometer sind kein Problem. Laufen kann ich zwei bis drei Kilometer ohne Schmerzen. Das Bein funktioniert, aber es fühlt sich Scheiße an. Spannungsgefühle, Taubheitsgefühle, Verkrampfungsgefühle im Unterhautgewebe sind bisher noch da. Ich meine, ein deutliches Fremdkörpergefühl zu spüren. Ein Kompressionsstrumpf schafft etwas Erleichterung.
Meine Frage an alle Betroffenen: Wird das nochmal besser, wenn das Metall draußen ist?
Mein zweites Problem: Nach wie vor kann ich keine Treppen normal gehen. Die Belastung geht eins zu eins aufs Gelenk, und das Gelenk schafft es nicht, mein Körpergewicht (65 kg) hochzuwuchten. Mit Krücken geht es jedoch. Ich komme auch schlecht mit Steigungen und unebenen Böden klar, ich bin wacklig und unsicher auf den Beinen, wie eine uralte Frau. Springen und tanzen geht auch nicht. Dabei ist mein Gangbild eigentlich recht gut, doch es fühlt sich an, als sei ich mit einem Holzbein unterwegs. Auffällig ist, dass die Muskeln an dem betroffenen Bein auch ein Jahr danach bei weitem noch nicht in alter Form sind. Das Auftrainieren ist mühsam, denn Kniebeugen und ähnliche Übungen, die normalerweise gemacht werden, kann ich nicht. Das Gelenk macht das nicht mit und reagiert beleidigt. Nur Fahrradfahren und Aquajoggen geht. Schneller als Walking geht auch nicht, geschweige denn rennen. Es geht irgendwie nicht. Kennt ihr das? Wird das besser? Ich frage mich, warum ich nicht normal Treppen gehen kann. Liegt es an den schwachen Muskeln? Oder kann das Gelenk es einfach nicht mehr? Der Doc weiß es nicht. Die Röntgenkontrolle hat jedoch ergeben, dass die Gelenkflächen leicht wellig sind und die Kreuzbandhöcker eine leichte Ausziehung haben. Letztlich sagte der Doc, ich könne mit dem Erreichten zufrieden sein, auch wenn als Defizit das Treppensteigen bliebe. Irgendwie denke ich, dass mich diese Aussage nicht zufrieden stellt. Ich möchte gerne wissen, warum es nicht geht. Dann kann ich mir die Arbeit daran ersparen und mich auf andere Dinge konzentrieren. Bisher gehe ich noch dreimal wöchentlich in Physio. Dazu Aquajogging, Radfahren, Gymnastik daheim und die Versorgung meiner beiden Pferde (longieren im Sandboden, Stallarbeit). Reiten werde ich nicht mehr.
Obwohl ich dankbar bin, noch einigermaßen glimpflich davon gekommen zu sein, so bin ich doch oft traurig, weil mein altes, aktives Leben so nicht mehr möglich ist. Ich arbeite zum Glück freiberuflich am Schreibtisch und kann mir die Zeit einteilen. Jedoch merke ich, dass langes Sitzen auch Gift für mein Bein ist. Ich kann nicht mehr so viele Aufträge annehmen, es geht einfach nicht mehr. Ich muss mich halt viel um das Bein kümmern, es in Bewegung halten.
So, das war ganz schön viel. Nun würde ich mich freuen, wenn ich von Euch bald etwas lesen würde. Ich wünsche allen ein schönes Wochenende, Cornelia
ich hoffe, mit euren Knien geht es stetig aufwärts und ihr lasst euch nicht unterkriegen. Ich hoffe so sehr, bei euch Leidensgenossen Tipps für mein Bein zu bekommen. Zunächst möchte ich mich kurz vorstellen: Ich bin 56 Jahre alt und habe mir vor einem Jahr eine Tibiakopf-Luxationsfraktur Typ Moor V plus mehrfragmentärer Unterschenkelfraktur bei einem Reitunfall zugezogen. Die hinteren Kreuzbänder natürlich auch im Eimer. Nach 23 Jahren verletzungsfreier Reiterei war das die volle Ladung. Ich kam zunächst in ein Allgemein Krankenhaus, wo die Ärzte meine Prognosen in den schwärzesten Farben ausmalten. Nie wieder ohne Schmerzmittel, kein normales Leben mehr, niemand kann dieses Bein wieder herstellen usw. usf. Ich ließ mich daraufhin in die BGU Klinik Frankfurt überweisen, die die Sache etwas optimistischer angingen, aber auch dort beeindruckt von der Schwere des Befundes waren: "Ihr Schienbeinkopf ist wie ein Keks, auf den man drauf getreten hat."
Die OP verlief erfolgreich, man konnte sogar den Knorpel retten. Ich wurde mit einer medialen Schrauben- und Plattenosteosythese (Syntes LCP und lateraler 09-Loch NCP Osteosynteseplatte) versorgt, die aussieht wie ein Märklin-Baukasten. Nach einem Jahr langwieriger Reha - ich saß über drei Monate im Rollstuhl, weil ich wegen einer ausgekugelten Schulter und eines Golferellenbogens kaum an Krücken gehen konnte und durfte erst nach rund fünf Monaten voll belasten - habe ich eine Streckung und Beugung von 0-0-125 Grad erreicht und bin, was die Beweglichkeit angeht, sehr zufrieden. Ich fahre regelmäßig Rad, 20 bis 30 Kilometer sind kein Problem. Laufen kann ich zwei bis drei Kilometer ohne Schmerzen. Das Bein funktioniert, aber es fühlt sich Scheiße an. Spannungsgefühle, Taubheitsgefühle, Verkrampfungsgefühle im Unterhautgewebe sind bisher noch da. Ich meine, ein deutliches Fremdkörpergefühl zu spüren. Ein Kompressionsstrumpf schafft etwas Erleichterung.
Meine Frage an alle Betroffenen: Wird das nochmal besser, wenn das Metall draußen ist?
Mein zweites Problem: Nach wie vor kann ich keine Treppen normal gehen. Die Belastung geht eins zu eins aufs Gelenk, und das Gelenk schafft es nicht, mein Körpergewicht (65 kg) hochzuwuchten. Mit Krücken geht es jedoch. Ich komme auch schlecht mit Steigungen und unebenen Böden klar, ich bin wacklig und unsicher auf den Beinen, wie eine uralte Frau. Springen und tanzen geht auch nicht. Dabei ist mein Gangbild eigentlich recht gut, doch es fühlt sich an, als sei ich mit einem Holzbein unterwegs. Auffällig ist, dass die Muskeln an dem betroffenen Bein auch ein Jahr danach bei weitem noch nicht in alter Form sind. Das Auftrainieren ist mühsam, denn Kniebeugen und ähnliche Übungen, die normalerweise gemacht werden, kann ich nicht. Das Gelenk macht das nicht mit und reagiert beleidigt. Nur Fahrradfahren und Aquajoggen geht. Schneller als Walking geht auch nicht, geschweige denn rennen. Es geht irgendwie nicht. Kennt ihr das? Wird das besser? Ich frage mich, warum ich nicht normal Treppen gehen kann. Liegt es an den schwachen Muskeln? Oder kann das Gelenk es einfach nicht mehr? Der Doc weiß es nicht. Die Röntgenkontrolle hat jedoch ergeben, dass die Gelenkflächen leicht wellig sind und die Kreuzbandhöcker eine leichte Ausziehung haben. Letztlich sagte der Doc, ich könne mit dem Erreichten zufrieden sein, auch wenn als Defizit das Treppensteigen bliebe. Irgendwie denke ich, dass mich diese Aussage nicht zufrieden stellt. Ich möchte gerne wissen, warum es nicht geht. Dann kann ich mir die Arbeit daran ersparen und mich auf andere Dinge konzentrieren. Bisher gehe ich noch dreimal wöchentlich in Physio. Dazu Aquajogging, Radfahren, Gymnastik daheim und die Versorgung meiner beiden Pferde (longieren im Sandboden, Stallarbeit). Reiten werde ich nicht mehr.
Obwohl ich dankbar bin, noch einigermaßen glimpflich davon gekommen zu sein, so bin ich doch oft traurig, weil mein altes, aktives Leben so nicht mehr möglich ist. Ich arbeite zum Glück freiberuflich am Schreibtisch und kann mir die Zeit einteilen. Jedoch merke ich, dass langes Sitzen auch Gift für mein Bein ist. Ich kann nicht mehr so viele Aufträge annehmen, es geht einfach nicht mehr. Ich muss mich halt viel um das Bein kümmern, es in Bewegung halten.
So, das war ganz schön viel. Nun würde ich mich freuen, wenn ich von Euch bald etwas lesen würde. Ich wünsche allen ein schönes Wochenende, Cornelia