Dann will ich auch mal

Geschichten und Meinungen rund um Beinbrüche und Knieprobleme

Moderator: Andi Jacomet

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Biochip
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Dann will ich auch mal

Beitrag von Biochip »

Hallo zusammen,

schön, dass es ein Board gibt, dass sich speziell mit dem Tibiakopf befasst ;-)

Da möchte ich doch meinen Fall auch mal zum Besten geben:

Ich bin 43, nicht sonderlich sportlich, 1,95m groß und rund 100kg schwer. Am 26.6.2009 - also vor genau 4 Monaten - beim Hürdenlauf (jaja, in meinem Alter sollte man lieber Rasenschach spielen...) an einer Hürde hängengeblieben und aus vollem Lauf mit dem linken Knie auf der Holzkante der Laufbahn gelandet. Das Ganze passierte während eines Betriebssportfestes, also gilt es als Arbeitsunfall (blöd, dass man in Deutschland den Arbeitgeber nicht auf Schmerzensgeld verklagen darf ;-)

Erste Diagnose im KH gegen 19 Uhr: Bruch des Schien- und des Wadenbeins, Marknagel rein, Gips drum, 4 Wochen nicht belasten und gut...

Gottseidank bin ich bei einem der besten Unfallchirurgen in Deutschland gelandet und so kam die Oberärztin spätabends nochmal vorbei und meinte, das Röntgenbild sähe seltsam aus, deshalb ab zum CT.
Diagnose nach dem CT: Proximale Tibiakopffraktur (7 oder 8 nette Splitter) mit Teilabriß des Außenmeniskus, dazu eine profane Wadenbeinfraktur. Das Ganze garniert mit einem schicken Kompartmentsyndrom und ausgeprägten Hämatomen im Unterschenkel.

OP noch in der Nacht von 1 Uhr bis ca. 4 Uhr morgens. Versorgung mit winkelstabiler Platte und 10 Schrauben (90 mm lang, im OP-Bericht stand, die hätten bei meinem Tibiakopf noch 15 mm länger sein dürfen, gibt's aber nicht). Zusätzlich Spaltung der Faszien wegen des Kompartmentsyndroms (es waren ca. 2 Liter Blut im Unterschenkel).
Die OP-Wunde vom Knie bis fast zum Knöchel ließ sich aufgrund des Kompartmentsyndroms nicht schließen, wurde also mit Kunsthaut versorgt und danach noch dreimal operiert (also insgesamt 4 OPs), bis sie geschlossen werden konnte.

Ab dem 7. Tag mit Krücken im KH unterwegs. Nach 12 Tagen aus dem KH entlassen mit der Anweisung, das Bein 10-12 Wochen überhaupt nicht zu belasten (also keine Belastung außer dem Abstellen des Beins). Streckung des Knies ging nicht (ca. 5 Grad fehlten), interessanterweise war die Beugung aber nicht beeinträchtigt (125 Grad bei Entlassung, mehr schaffe ich rechts auch kaum).

Nach weiteren 4 Wochen zuhause fiel mir die Decke auf den Kopf, also hab ich mich gesundschreiben lassen, um wieder ins Büro zu können. Autofahren ging dank Automatikgetriebe ganz gut. Natürlich jeden Tag Clexane spritzen und einen schicken halterlosen Strumpf dazu (die Damen im Forum wissen um die erotische Wirkung). Blöderweise macht ein einzelner Kompressionsstrumpf bei einem Mann bei Weitem nicht soviel her...

2 Wochen später zu einem Meeting nach Korea geflogen (Langstreckenflug mit Krücken und dann viel rumlaufen bei 30 Grad und 90% Luftfeuchtigkeit ist sehr entspannend...).

10 Wochen nach OP Röntgenkontrolle und Freigabe für Teilbelastung 20 kg mit Steigerung auf Vollbelastung innerhalb von 2 Wochen. Physiotherapie dreimal die Woche je 1 Stunde mit Lymphdrainage, Muskelaufbau (Beinpresse) und Gehtraining.

Ungeduldig wie ich bin, dachte ich, prima, 20 kg und dann flott nach oben mit den Gewichten... Am 3.9. erste Physio: 8 kg, mehr ging nicht. Meine Muskeln waren nach 10 Wochen ohne Belastung schlichtweg nicht mehr da und die Bänder so verkürzt, dass ich den Fuß kaum mehr bewegen konnte.

Die insgesamt nun 6 Wochen Physio bestanden dann hauptsächlich aus Schmerz. Schmerz beim Gewichtstraining, Schmerz bei Gehversuchen, Schmerz beim Abrollen usw. Dazu Übungen zuhause mit Theraband und auf dem Ergometer. Eine Zeitlang waren meine Vorratspackungen Tramal und Novalgin meine besten Freunde...

Aber: Nicht entmutigen lassen! Ich hatte einige Frusttage dabei, an denen ich einem künstlichen Kniegelenk oder einer Unterschenkelprothese durchaus den Vorzug gegenüber der Physio gegeben hätte. Aber dann auch wieder Tage, an denen ich schmerzfrei ein paar Meter an einer Krücke geschafft habe. Und irgendwann kam ein Montag nach einem ruhigen Wochenende, an dem ich aus heiterem Himmel das Bein wieder strecken konnte.

Und heute? 4 Monate nach dem Unfall und 6 Wochen nach Beginn der Physiotherapie kann ich zuhause humpelnd ohne Krücken laufen, im Büro und auf Treppen brauche ich noch eine Krücke. Die Schmerzen im Knie sind weg, die Schwellung des Beins erträglich, nur die Schmerzen im Fuß, vor allem im Sprunggelenk, sind aber teilweise so schlimm, dass ich die zweite Krücke aus dem Auto hole und den Rest des Tages auf Invalide mache.
An der Beinpresse gehen inzwischen einbeinig (mit dem verletzten Bein) rund 80 kg (von ehemals 160), beidbeinig rund 180 kg (von ehemals 320).

Insgesamt scheine ich aber wohl recht schnell Fortschritte zu machen, mein Doc und meine Physiotherapeutin sind hochzufrieden (nur mir kann es natürlich nicht schnell genug gehen).

Eine Frage, die bei mir immer noch offen geblieben ist: Sind die Schmerzen im Fuß wirklich normal? Ich verstehe ja, dass Bänder und Muskeln im Fuß erst wieder werden müssen, aber kann man das nicht beschleunigen? Wäre schön, wenn jemand dazu etwas schreiben könnte.

Sorry für den langen Bericht, aber es mußte mal raus ;-)

Liebe Grüße,

Biochip
Jette
Beiträge: 216
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Beitrag von Jette »

Hallo Biochip,

willkommen im Klub der Stockenten :D
In das Liedchen der Fußschmerzen kann ich mit einstimmen. Ich hatte Tage, da hätte ich heulen können bei jedem Schritt.
Ich hatte einen ganz prima Physiotherapeuten, der mich die gesamten 9 Wochen Reha betreut hatte. Wenn es mal wieder ganz schlimm war, hat er eine kräftige Fußmassage vorgenommen. Die war auch zum in die Kissen beißen, brachte aber doch irgendwann eine Lockerung der Fußmuskulatur. Irgendwann war dann alles gut.

Hast Du noch Probleme nach dem Kompartmentsyndrom? Sind bei Dir alle Nerven heil geblieben? Scheußlich diese Narbe...naja, zum Fußmodel hätte es eh nie gereicht :lol:
Obwohl doch so ein halterloser Thrombose-Strumpf doch auch etwas kaschieren kann :wink:

Alles Gute für Dich und nicht wieder Rennpferd spielen.
Jette
Biochip
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Beitrag von Biochip »

Hallo Jette,

danke für Deine Erfahrungen in Bezug auf die Fußschmerzen, ich hoffe, das gibt sich bei mir auch in den nächsten Wochen.
Vom Kompartmentsyndrom ist an sich nichts geblieben, der Bereich um die Narbe ist natürlich noch taub, aber sonst keine bleibenden Schäden.
Die Narbe am Unterschenkel passt aber nun prima zu der am Oberschenkel, da hatte ich mir vor ca. 10 Jahren den Schenkelhals gebrochen (auch beim Sport) und mit dynamischer Hüftschraube versorgen lassen. Damals war der Bereich um die Narbe auch taub, das hat sich aber innerhalb von 2-3 Jahren völlig gegeben.
Den blöden Strumpf bin ich hoffentlich auch in ein paar Tagen los, das Bein schwillt kaum noch an und eigentlich brauch ich den Strumpf nur noch beim Fliegen (was aber beruflich leider recht häufig vorkommt).

Liebe Grüße,

Biochip
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